4 Das AKV-Prinzip
Das Gleichgewicht von Aufgabe, Kompetenz, Verantwortung
Als Führungsperson übertragen Sie regelmässig Aufgaben an Mitarbeitende. Mit dieser Delegation werden Sie Ihrer Führungsrolle gerecht und zugleich fördern Sie Lernen und Entwicklung bei den Mitarbeitenden. Zudem entlasten Sie sich selbst von der operativen Arbeit und können sich besser der Führungsaufgabe widmen.
Allgemein wird gefordert, dass die delegierte Aufgabe, die zugestandene Kompetenz und die eingeforderte Verantwortung im Gleichgewicht stehen müssen (AKV-Prinzip). Das ist richtig und allgemein anerkannt. Zugleich wird jedoch häufig moniert, dass dieses Gleichgewicht eben nicht vorhanden ist.
Mit dieser Checkliste können Sie prüfen, ob bei einer Aufgabe, die Sie Mitarbeitenden zuweisen wollen, die Anforderungen des AKV-Prinzips erfüllt sind. Zudem können Sie beurteilen, welche Folgen sich einstellen, falls ein Ungleichgewicht besteht.
Achtung: Der Begriff Kompetenz hat eine doppelte Bedeutung:
- mit Kompetenz wird die Befugnis oder Berechtigung verstanden. In diesem Wortsinn wird hier der Begriff Kompetenz verwendet.
- Kompetenz wird auch verwendet für das Wissen, Können und die Fähigkeiten einer Person. Wenn Sie eine Aufgabe an eine/n Mitarbeiter/in übergeben, wird vorausgesetzt, dass diese Person über die notwendigen Fähigkeiten, Wissen und Können verfügt. Ist dies nicht der Fall, ist es Führungsaufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Fähigkeiten etc. erworben werden können oder sonst wie zur Verfügung gestellt werden.
Warum ist das Gleichgewicht von AKV anzustreben?
Eine zugewiesene Aufgabe kann nur dann sachgerecht und erfolgreich ausgeführt werden, wenn der/die Bearbeiter/in auch die Kompetenz (im Sinne von Befugnis) hat, alle die Entscheidungen zu treffen, die bei der Aufgabenbearbeitung zu treffen sind (Informationsbeschaffung, Abklärungen, Qualitätsbeurteilungen, evtl. notwendige Bewilligungen etc.). Nur dann kann nach Erledigung der Aufgabe die Person für allfällige Mängel zur Verantwortung gezogen werden; und nur dann wird sich auch das Verantwortungsbewusstsein einstellen.
Folgen eines Ungleichgewichts von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung
In der Folge wird Ihnen das Ungleichgewicht von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung anhand von vier Fällen dargestellt.
Fall 1
Die Situation: Mit der Übertragung der Aufgabe sind einem Mitarbeiter nicht die notwendigen Kompetenzen (Befugnisse) übergeben worden. Der Mitarbeitende hat keine Berechtigung, alle notwendigen Entscheidungen zu treffen; stattdessen muss er bei der berechtigten Stelle (meist Führungsperson) zurückfragen. Zugleich wird er aber für das Ergebnis verantwortlich gemacht. Diese Situation ist nicht nur mit zusätzlichem Zeitaufwand verbunden; vor allem wird verhindert, dass sich das Bewusstsein von Selbständigkeit und Verantwortlichkeit entwickeln kann. Das Gefühl von Abhängigkeit und Blockiertheit, dass sich in der Regel einstellt, entspricht der tatsächlichen Situation.
Was ist los: Diese (relativ häufige) Situation kann nicht vom Mitarbeiter aufgelöst werden. Sie ist Resultat entweder von unangemessenen Reglementen und Verordnungen. Oder sie ist Ausdruck eines klassischen Führungsfehlers; die Führungsperson ist evtl. nur ungenügend zur Delegation ihrer Befugnisse bereit.
Was tun: Vor der Übertragung einer Aufgabe klären, welche Kompetenzen erforderlich sind. Wenn die Bereitschaft zur umfassenden Delegation nicht vorhanden ist, kann die Aufgabe so nicht übertragen werden.
Fall 2
Die Situation: Dieser Fall ist gewissermassen die Verschärfung des Falles 1. Hier wird der Mitarbeiterin weder die notwendige Kompetenz übertragen, noch fordert die Führungsperson die Verantwortung ein.
Was ist los: Diese (nicht allzu seltene) Situation kann eigentlich nicht mehr als Delegation bezeichnet werden. Übergeben wird ausschliesslich die Aufgabenbearbeitung, die gesamte Entscheidungs- und Kontrollbefugnis verbleibt jedoch bei der Führungsperson. In der Bilanz entsteht für beide Seiten Mehrarbeit; Entlastung der Führungsperson und Effizienzgewinne stellen sich nicht ein. Bei der Mitarbeiterin entwickeln sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Frustrationsgefühle und der Eindruck, nicht als vollwertige Arbeitskraft behandelt zu werden.
Was tun: Die Führungsperson sollte ihre Führungsprinzipien überprüfen.
Achtung: Falls diese Version einer ‚Delegation’ im Rahmen der Personalentwicklung on-the-job geplant wird, kann dieses Verhältnis von AKV allerdings sinnvoll sein. Es ist für fachlich unsichere Mitarbeitende eine Schutzmassnahme vor Überforderung. Dann handelt es sich aber um eine vorübergehende Massnahme, die so kommuniziert wurde und die Mitarbeitende von der Führungsperson währenddessen gezielt und eng begleitet wird.
Fall 3
Die Situation: Mit der Übertragung der Aufgabe sind einem Mitarbeiter auch die notwendigen Kompetenzen (Befugnisse) übergeben worden. Der Mitarbeitende hat also die Möglichkeit und Berechtigung, alle notwendigen Entscheidungen zu treffen (usw.). Der Mitarbeitende ist jedoch nicht bereit, die Verantwortung für die Aufgabe und das Ergebnis zu übernehmen. Möglicherweise wird versucht, die Verantwortung auf andere Personen, andere Organisationseinheiten oder „die Umstände“ abzuschieben.
Was ist los: Der Mitarbeiter ist evtl. fachlich oder persönlich überfordert, ist überrascht von der Tragweite der getroffenen Entscheidungen. Oder die Führungsperson hat ihn überschätzt.
Was tun: Vor der Übertragung einer Aufgabe klären, ob der Mitarbeiter auch tatsächlich bereit ist, die Verantwortung für die Aufgabe und das Ergebnis zu übernehmen. Dazu ist notwendig, mögliche Ergebnisse und Folgen wie auch die Wahrscheinlichkeit einer Zielverfehlung realistisch abzuschätzen. Häufig ist eine engere Begleitung durch die Führungsperson im Sinne einer fachlichen Unterstützung hilfreich.
Fall 4
Die Situation: Mit der Übertragung der Aufgabe sind einer Mitarbeiterin auch die notwendigen Kompetenzen (Befugnisse) übergeben worden. Die Mitarbeitende hat also die Möglichkeit und Berechtigung, alle notwendigen Entscheidungen zu treffen (usw.). Dennoch reklamiert die Mitarbeitende, dass die eingeforderte Verantwortung zu gross sei; in der Regel fühlt sich die Mitarbeitende überfordert und ratlos. Ängste und Panik kommen hierbei ebenfalls vor.
Was ist los: Entweder: Die Mitarbeiterin fühlt sich für mehr verantwortlich, als dies eigentlich der Fall ist. Oder: der Vorgesetzte macht den Mitarbeitenden verantwortlich für Ergebnisse, die ausserhalb des Einflussbereiches liegen.
Was ist zu tun: Auftragsklärung mit der Führungsperson, Richtigstellung von Seiten Führungskraft.