"

20 Widerstand bei Veränderungen

Warum Widerstand normal ist

Soziale Systeme sind durch ein hohes Mass an Beständigkeit und Verlässlichkeit gekennzeichnet. Das gilt auch und gerade für Unternehmen. Sie beziehen ihre Effizienz daraus, dass sich alle Beteiligten darauf verlassen können, dass die Rollen und Beziehungen innerhalb des Systems konstant und im Kern gleich bleiben. Dieser Umstand schafft Erwartungssicherheit und garantiert, dass in Unternehmen jeden Morgen sofort und ohne weitere Verhandlung mit der Arbeit begonnen werden kann. Alle Mitglieder wissen, was zu tun ist und wer mit wem welche Aufgaben erledigt, usw.

Die Ankündigung von Veränderungen stört diese Ordnung und schafft Verunsicherung. Typische Fragen sind etwa  „Was kommt?“, „Werde ich das bewältigen?“, „Mit wem werde ich in Zukunft zusammenarbeiten?“ Die Ankündigung von z.B. neuen Technologien am Arbeitsplatz, der Wechsel der Anwender-Software, der Umzug in andere Räume usw. bewirken bei vielen Menschen durchaus nahe liegende und einfühlbare ablehnende Reaktionen. Die Skepsis gegenüber dem Neuen ist gewissermassen ein Kompliment für das Alte. Zurückhaltung und Ablehnung sind umso grösser, je weniger die Betroffenen an der Gestaltung der Veränderung beteiligt sind.

Welche Ursachen hat Widerstand?

  1. Wissensdefizit

Der oder die Betroffenen haben die Ziele, die Hintergründe oder die Motive einer Massnahme nicht verstanden.

  1. Vertrauensdefizit

Die Betroffenen haben zwar verstanden, aber sie glauben nicht, was ihnen gesagt wurde.

  1. Mangel an Überzeugung

Die Betroffenen haben verstanden, und sie glauben auch, was gesagt wurde, aber sie wollen oder können nicht mitgehen, weil sie sich von den vorgesehenen Massnahmen keine positiven Konsequenzen versprechen.

Erscheinungsformen von Widerstand

Widerstand ist nicht immer leicht zu erkennen. Klar ist in der Regel nur, dass irgendetwas «nicht stimmt». Die folgende Zusammenstellung zeigt mögliche Indikatoren von Widerstand.
Allgemeine Symptome für Widerstand

verbal (Reden) nonverbal (Verhalten)
Aktiv Widerspruch Aufregung
(Angriff) Gegenargumente Unruhe
Vorwürfe Streit
Drohungen Intrigen
Polemik Gerüchte
Sturer Formalismus Cliquenbildung
Passiv Ausweichen Lustlosigkeit
(Flucht) Schweigen Unaufmerksamkeit
Bagatellisieren Müdigkeit
Blödeln Fernbleiben
ins Lächerliche ziehen innerer Rückzug (innere Kündigung)
Unwichtiges debattieren Krankheit

Welche Fragen haben die Betroffenen?

Unabhängig davon, ob diese Fragen offen gestellt werden oder nicht: Führungskräfte müssen darauf eine Antwort geben!

1) Warum und wozu das Ganze?

  • Was ist das Ziel der Übung – und erscheint mir dieses Ziel plausibel?
  • Sagt uns die Leitung alles, oder gibt es Ziele und Hintergründe, die uns verschwiegen werden?
  • Ist die Sache wirklich wichtig – oder gäbe es dringendere Probleme, die anzugehen wären?

2) Kann ich das?

  • Bin ich dem, was mit mir vorgesehen ist, gewachsen?
  • Kann ich die neuen Aufgaben erfüllen oder die neuen Methoden lernen?
  • Wie stehen meine Chancen für gute Arbeitsergebnisse und persönlichen Erfolg?

3) Will ich das?

  • Was bringt es mir? Ist die Tätigkeit interessant? Ist sie im betrieblichen Umfeld gut angesehen? Mit was für Leuten habe ich es da zu tun?
  • Besteht das Risiko, etwas zu verlieren? Einen «sicheren» Arbeitsplatz, Einkommen, angenehme Kolleginnen und Kollegen, interessante Karriereperspektiven?

Und weil es für den Umgang mit Widerstand so wichtig ist hier nochmals die Erinnerung:

Unabhängig davon, ob diese Fragen offen gestellt werden oder nicht:
Führungskräfte müssen darauf eine Antwort geben.

Konstruktiver Umgang mit Widerstand

Widerstand wird nicht verschwinden, wenn man den Betroffenen aus dem Weg geht. Im Gegenteil: Die Begegnung suchen; offene Information über Sinn und Zweck der geplanten Veränderung; transparente Information über Möglichkeiten und Grenzen (!) der Gestaltung; Bedenken, Ängste und Hoffnungen abholen. (vgl. Change Management).

In diesen Gesprächen ist es für die Führungskräfte unerlässlich, selber Fragen zu stellen und sorgfältig auf die Antworten zu achten:

  • Was ist für die Betroffenen besonders wichtig? Welches sind ihre Interessen, Bedürfnisse, Anliegen?
  • Was könnte passieren, wenn man wie vorgesehen vorgehen würde? Was sollte aus Sicht der Betroffenen nach Möglichkeit vermieden werden?
  • Was für Alternativen sehen die Betroffenen selbst? Wie müsste ihrer Ansicht nach vorgegangen werden, um das Problem zu Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen?

Solche Fragen führen schrittweise näher an die «verschlüsselte Botschaft» und damit an den Kern des Problems heran. Dann wird der Weg offen für das Finden von Lösungen.

Vier Grundsätze zu Widerstand

Vier Grundsätze zu Widerstand

Es gibt kein Lernen und keine Veränderung ohne Widerstand

  • Nicht das Auftreten von Widerständen, sondern deren Ausbleiben ist Anlass zur Beunruhigung

Widerstand enthält immer eine „verschlüsselte Botschaft“

  • Die Ursachen für Widerstand liegen im emotionalen Bereich

Nichtbeachtung von Widerstand führt zu Blockaden

  • Denkpause einschalten, nochmals über die Bücher gehen

Mit dem Widerstand, nicht gegen ihn gehen

  • Druck wegnehmen (dem Widerstand Raum geben, ernst nehmen)
  • Antennen ausfahren (in Dialog treten, Ursachen erforschen)
  • Gemeinsame Absprachen (Vorgehen neu festlegen, ev. einen Gang zurückschalten)

Zum Seitenanfang

License

Führungshandbuch Copyright © Annette Schmidt. Alle Rechte vorbehalten.