9 Was Piloten und Pilotinnen im Zusammenhang mit Stress beeinflussen können

Pilotinnen und Piloten sind – obschon sie aufgrund ihrer Ausbildung und Tätigkeit wahre „Profis“ im Umgang mit Stress sind – vor negativen Folgen von Stress nicht per se geschützt. Risikofaktoren sind neben dem Eintreten potentiell kritischer Ereignisse während des Fliegens auch die Arbeitsbedingungen mit u. a. unregelmässigen Arbeitszeiten, insbesondere das Arbeiten mit unregelmässige Tag-Nacht-Rhythmen und meist gewichtigen Zeitverschiebungen, die möglicherweise zu einer Belastung werden können.

Massnahmen für einen förderlichen Umgang mit Stress

Da sich nicht alle bedingungsbezogenen Stressoren ausschalten lassen, üben/ trainieren Pilotinnen und Piloten bei der primären Bewertung (ist es relevant, wenn ja, ist es negativ?) Stresstoleranz, indem sie Stressoren, solange dies vertretbar ist, als irrelevant einschätzen (z. B. unwichtige Information während einer Emergency „überhören“) und/ oder sich die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen adäquat und positive einschätzen (z. B. dass sie mit einem erfahrenen Captain zusammenarbeiten, dass alle andern Systeme ausser dem ausgefallen Triebwerk einwandfrei funktionieren, dass sie die Procedures beim Triebwerksausfall bestens geübt haben und „können“). Sie bewerten auf diese Art Ereignisse möglichst lange als Herausforderungen statt als Überforderungen, grosse Bedrohung oder Gefahr.

Selbstverständlich nutzen sie bei der Bewältigung zudem alle ihnen bekannten und eingeübten problembezogenen Bewältigungsstrategien. Also die Procedures, das fliegerische Können, das Crew-Concept etc.

Bei der Bewältigung nutzen sie darüber hinaus aber auch Strategien, die helfen, die Situation emotional zu bewältigen. Es gelingt ihnen, bewältigungsförderliche Einstellungen zur Situation einzunehmen (die Situation z. B. als Lernchance zu begreifen). Und/ oder sie können ihre Emotionen bewältigungsförderlich nutzen (z. B. Angst/ Ängstlichkeit in Zuversicht verwandeln).

Bei den Stressfolgen nutzen sie auf emotional-kognitiver Ebene Strategien, welche ihre Bewältigungszuversicht und letztlich ihr Selbstvertrauen und ihren Selbstwert stärken. Das Bewältigen von schwierigen, stressenden Situationen interpretieren sie als wertvoll für die Fortführung ihrer Tätigkeit und als wertvolle Ressource, aus der sie zukünftig schöpfen können.

Auf der Verhaltensebene erkennen sie Anzeichen von Stressfolgen (z. B. gesteigerte Reizbarkeit, zunehmender sozialer Rückzug) und geben erfolgreich „Gegensteuer“.

Und auf der somatischen Ebene sind sie sich bewusst, dass ausgeschüttete Stresshormone eine zeitlang im Körper sind und wirken – weshalb sie womöglich nach der Landung selbst „mitten in der Nacht“ sich noch zur Entspannung körperlich betätigen bevor sie schlafen gehen. Sie sind sich bewusst, dass Dauerstress das Immunsystem schwächt und auch weitere schädliche Folgen für den Köper und die Psyche hat. Weshalb sie entsprechende Anzeichen (z. B. Schlafstörungen, Erschöpfung etc.) wahr und ernst nehmen und in solchen Fällen frühzeitig kompetente Unterstützung suchen.

Empfehlungen zur Prävention

Die Empfehlungen zur Prävention von Langzeitfolgen erhöhter Belastung sind:

  • ausreichende Phasen von Erholung und Abwesenheit von Leistung(sdruck) einbauen
  • auf ausgewogene, gesunde Lebensgestaltung (Ernährung, Schlaf, Sport, Genussmittel) achten
  • Verzicht auf Alkohol/ Drogen als „Entspannungshelfer“
  • Einbau stressreduzierender Aktivitäten im Alltag (z. B. MBSR, Yoga, Entspannungsverfahren)
  • Pflege „gesunder“ und relevanter sozialer Beziehungen
  • Stärkung von Resilienz, allenfalls durch Kurse
  • bei Bedarf frühzeitiges Aufsuchen von Beratung ( Hausarzt, Psychologinnen)

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